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Vor-
und Nachbereitung im Sportunterricht Untersuchungen zur Unfallhäufigkeit im Sport haben ergeben, daß die sie am
Anfang und am Ende von sportlichen Tätigkeiten besonders hoch ist. Da am
Anfang einer sportlichen Tätigkeit die Erwärmung steht, ist anzunehmen, daß
diese Phase häufig nicht angemessen und zielgerichtet durchgeführt wird. Zwar
gibt es bisher keinen direkten medizinischen Nachweis für Verletzungen durch
fehlende oder falsche Erwärmung, jedoch ist unumstritten, daß ein
"kalter" Muskel weniger dehn- und strapazierfähig und damit
verletzungsanfälliger ist als ein auf gewärmter Muskel. Bei näherer
Betrachtung lassen sich aber auch viele andere Verletzungen am aktiven und
passiven Bewegungsapparat (Muskeln, Sehnen, Bändern und Gelenken) selbst bei
Freizeitsportlern auf falsche oder mangelhafte Aufwärmarbeit zurückführen. Funktion und Wirkung der
Aufwärmung für die Verletzungsprophylaxe: Muskulatur: · Durch Öffnung der Kapillaren wird der Muskel besser durchblutet, die Reibungswiderstäne im Muskel werden durch Temperaturerhöhung verringert und damit der Muskel insgesamt geschmeidiger und elastischer. · Gefahr bei ungenügender Aufwärmung: Bei "kaltem" und wenig elastischen Muskel kommt es plötzlicher Belastung zu Muskelzerrungen, -rissen oder sogar Abrissen. Herz-Kreislauf: · Das Atem- und Herzminutenvolumen wird gesteigert. Dadurch erfolgt eine erhöhte Bereitstellung des für die Energieversorgung des Muskels notwendigen Sauerstoffs und gleichzeitig ein verbesserter Abtransport des bei der Energieproduktion anfallenden Kohlenmonoxids. · Die Beschleunigung des Stoffwechsels bewirkt außerdem eine vermehrte Ausschüttung der für die Energiegewinnung wichtigen Hormone; hier besonders das Glukagon. · Gefahr bei ungenügender Aufwärmung: Die für die Muskelarbeit erforderliche Energie kann auch ohne Sauerstoff gebildet werden; allerdings mit nur geringer Ausbeute und unter Produktion von Milchsäure, die sich im Muskel ablagert, ihn "sauer" macht und zu einem plötzlichen Leistungsabfall = Verletzungsgefahr führt. Spätfolge Muskelkater. Reizleitung/Nerven: · Durch die Beschleunigung der Stoffwechselvorgänge erhöht sich auch die Wahrnehmungs- und Weiterleitgeschwindigkeit der Nerven, das bewirkt wiederum eine Steigerung der Reaktionsfähigkeit und eine Verbesserung der Koordination. · Gefahr bei ungenügender Aufwärmung: Reaktionsfähigkeit und Koordination sind der motorischen Aufgabe noch nicht angepaßt, es kommt zu Fehlreaktionen = Verletzungsgefahr. Kapsel-Band-Sehnen-Knorpel-System: · Für diesen Bereich ist weniger die Erhöhung der Körpertemperatur von Bedeutung, sondern der zweite Wirkungsbereich der Aufwärmung: die Bewegung. Der Knorpel ist auf Bewegung angewiesen, weil er sich vorwiegend durch Diffusion ernährt. Wie ein Schwamm wird er dabei zusammengedrückt, wobei er Flüssigkeit abgibt und entlastet, wobei er Flüssigkeit aufnimmt. Die Folge ist eine Verdickung der Knorpelschicht. Die einwirkenden Kräfte werden auf eine größere Auflagefläche verteilt und durch die zunehmende Wasserbindung besser abgepuffert. · Gefahr bei ungenügender Aufwärmung: Die Schäden sind hier nicht sofort sichtbar. Verschleiß und Abnutzung des Knorpels durch unzureichende Pufferung werden häufig erst später deutlich. Allerdings treten gerade in den letzten Jahren immer mehr Verschleißerscheinungen in diesem Bereich bereits bei jungen Menschen auf (zu wenig Bewegung?). An diesen Aufgaben hat sich eine angemessenen Erwärmung zu orientieren.
Welche Möglichkeiten der Erwärmung gibt es? Arten der Aufwärmung: Aktive Erwärmung: Einzig sinnvolle Art der Erwärmung · Allgemeine Erwärmung = aktive Arbeit der großen Muskelgruppen zur Steigerung der Körpertemperatur. · Spezielle Erwärmung = dehnen und kräftigen zur Vorbereitung der Muskulatur auf die nachfolgende spezielle Belastung. · Sportartspezifisch-koordinative Erwärmung = Aufbau eines optimalen Muskel-Nerv-Zusammenspiels. Mentale Erwärmung = gedankliches "Durchspielen"
eingeübter Bewegungabläufe. In der Schule nicht von Bedeutung. · Aktive Arbeit der großen Muskelgruppen zur Steigerung der Körpertemperatur. · Intensität: langsam steigernd · Fehler: Phase zur kurz: Sauerstoff- und Enegieversorgung ist noch nicht einreguliert. Der Körper gerät in eine anaerobe Stoffwechsellage. Folge: Plötzlicher Leistungsabfall = Gefahr. · Phase zu intensiv: Energiebedarf so hoch, daß anaerobe Energiereserven bereits in der Aufwärmphase verbraucht werden. Folge: Plötzlicher Leistungsabfall = Gefahr 2. Stufe: Sportartspezifische Dehnübungen ("Stretching") · Vorwiegend für die zur Verkürzung neigenden Muskelgruppen (Z.B. Nacken-, Brust-, Wadenmuskulatur).Ziel ist die Vergrößerung des Bewegungsausmaßes der Gelenke und dadurch Minderung der Gefahr von Muskel- und Gelenkverletzungen. · Sollte immer erst nach ausreichender allgemeiner Erwärmung durchgeführt werden. Gefahr von Muskelverletzungen. 3. Stufe: Kräftigungsübungen: · Vorwiegend für die zur Abschwächung neigenden Muskelgruppen (z.B. Bauch-, seitliche Rumpf-, Gesäßmuskulatur). Ziel ist die Stabilisierung der Wirbelsäule und der Ausgleich sportartspezifischer Dysbalancen. 4. Stufe: Sportartspezifisch-koordinative Einstimmung · durch Einspielen, Einwerfen, Einschwimmen usw. mit dem Ziel eines optimalen Muskel-Nerv-Zusammenspiels. Individuelle Erwärmung: Jeder Sportler/Schüler hat individuelle Problembereiche bei der Bewegung. Sie sollten bei der Gestaltung der Aufwärmphase Berücksichtigung finden. Problem in der Schule! Dieses Stufenmodell spiegelt natürlich nur die Grobstruktur einer zielgerichteten Erwärmung wider. Darüber hinaus nehmen noch eine Reihe weiterer Faktoren Einfluß auf die Gestaltung einer angemessenen Aufwärmphase. Weitere Einflußfaktoren auf die Gestaltung der Aufwärmphase: · z.B.Techniktraining erfordert spezielle Dehn-, Kräftigungs- und Koordinationsübungen entsprechend der Sportart oder Disziplin. · z.B. Kondition: Ausdauertraining = besondere Aktivierung Herz-Kreislauf-System · Schnelligkeitstraining = gründliche Erwärmung + psychische Frische Alter: ältere Sportler behutsamer und langsamer steigernd, weil
weniger elastisch. Länge und Intensität der Aufwärmphase:
· Richtwerte: Betriebstemperatur von 38,5° - 39° muß erreicht werden. · Betriebs- bzw. Arbeitspuls von mindestens 110 Schlägen/Minute (bei Schülern auch höher [150]) · Bei gewissen Inhalten wird diese allgemeine Aufwärmphase ausreichen. Andere Inhalte werden ein stärkeres Augenmerk auf die Dehn- und Kräftigungsphase verlangen. Wiederum andere werden eine verstärkte koordinative Einstimmung erfordern, die aber eventuell mit der allgemeinen Erwärmung gekoppelt werden kann. · Demnach kann die Aufwärmphase im Schulsportunterricht auch kürzer ausfallen. Wichtig ist eine angemessene Intensität. Intensität: individuell verschieden · Beginn mit geringer Belastung · langsame Steigerung bis auf 50 - 70% der maximalen Leistungsfähigkeit Merkmale eines angemessen erwärmten Körpers: · Leichter Schweißaustritt - Übererwärmung: tropfender Schweißaustritt · Leichte Hautrötung (vorwiegend Gesicht) - Übererwärmung: starke Rötung, fleckige Haut (z.B. weiße Munddreiecke) · Leicht gesteigerte und vertiefte Atmung - Übererwärmung: hechelnde Atmung durch weit geöffneten Mund · Leicht erhöhte Pulsfrequenz (110/150) - Übererwärmung: Pulsjagen · Erwartungsvolle und konzentrierte Stimmung - Übererwärmung: Bewegungsunlust. Häufige Fehler beim Aufwärmen: · Häufig zu kurz ("Toter Punkt" tritt schnell ein, weil Phase noch nicht abgeschlossen) oder zu intensiv ("Toter Punkt" bereits in Aufwärmphase) · Falsche durchführung von Dehn- und Kräftigungsübungen (mehr rituellen als funktionellen Charakter = Fußballer bei Einwechselung) Relevanz des Aufwärmens für den Sportunterricht: · Stillen des ersten "Bewegungshungers" (Abreaktion Übererregungszustände, Lösung Hemmungszustände) = Stabilisierung der emotionellen Lage. · Umschalten (von psychischer Belastung auf freudvolles Sport treiben) und Einstimmung auf folgende Bewegungsaufgabe. · Schaffung erleichternder Lernvoraussetzungen ("Motor ist schon eingefahren" und für folgende Aufgaben sensibilisiert). · Verletzungsprophylaxe Primarbereich: geringes Verletzungsrisiko = allgemeines
spielerisches Aufwärmen (evtl. auch Verzicht auf physisches Aufwärmen bei
entsprechendem Inhalt). · Leistungssteigerung/Wettkampfvorbereitung (Sek II) Übergeordnete Zielsetzung: Abwärmphase: · Ruhiger Stundenausklang - nicht mit einem anstrengenden Spiel enden (Verletzungsgefahr durch konditionelle Schwächen, Körper arbeitet nach über die Stunde hinaus, unbewältigte Probleme werden aus der Sportstunde herausgetragen) · Angemessene Hygienemaßnahmen als Abschluss der sportlichen Belastung (Ableitung der "Schlacke") Im Sinne der übergeordneten Zielsetzung, später eigenverantwortlich angemessene Entscheidungen für die Gesundheit des eigenen Körpers treffen zu können, sollte das · Abwärmen in Gesprächsphasen problematisiert werden (Belastung - Entspannung; angenehme - unangenehme Gefühle bewußt machen) · Dabei Grundsätze (Struktur, Maßnahmenkatalog, Ausrichtung auf vorherige Belastung) eines angemessenen Abwärmprogramms entwickeln. · Fähigkeit des individuellen "Sich-Abwärmens" ausbilden |